Die Zeit nach dem Verlust und die Bedürfnisse danach
- sulatilkeridou
- 22. Aug.
- 4 Min. Lesezeit

Meine Mutter war nach einem längeren Leidensweg gestorben. Im ersten Moment war es eine Erleichterung. Immerhin musste sie nicht mehr leiden. Doch die Zeit danach war sehr herausfordernd für mich, für uns als Familie und für mein Umfeld.
Die Zeit danach...
Eigentlich ist die Mehrbelastung weg gefallen. Eigentlich hatte ich ja jetzt Ressourcen frei.
Oder nicht?
Wenn das so einfach war, warum fühlte sich alles so schwer an?
Warum konnte ich nicht einfach nur weiter machen, wie bisher?
Bei meinem damaligen Arbeitgeber, war die schwierige Situation bekannt. Auch dass ich weiterhin alles irgendwie wie durch ein Wunder gemanaged habe.
Ich habe mich in besonders schwierigen Situationen vor meinem Vorgesetzten verletzlich gezeigt und mit ins Boot geholt.
Eigentlich hatten wir ein gutes Verhältnis.
Eigentlich mochten wir uns total gerne.
oder nicht?
Wenn das so gewesen war, warum reagierte er so empathielos, als ich ihm sagte wie ich mich fühlte, während meine Mutter im Sterben lag?
Warum hatte er mir nicht mal sein Beleid gewünscht, als meine Mutter gestorben war?
Ich war wirklich enttäuscht. Ich habe kein übermäßiges Verständnis erwartet, aber in so einer Situation hätte ich mir gewünscht, dass er menschliches Interesse gezeigt hätte. Dass er ein Wort des Verständnisses geäußert hätte. Ein: "Es tut mir leid. Mein Beileid und viel Kraft für die kommende Zeit."
Der Arbeitsalltag
Eigentlich war ich Expertin in meinem Bereich.
Mein Job fiel mir nicht schwer. Ich hatte eine Begeisterung dafür und wusste, was ich tat.
Doch nach dem Tod meiner Mutter war ich emotional einfach nicht so stabil wie vorher.
Es fiel mir schwer, Eskalationskunden anzurufen und sie zu beruhigen. Ich hatte es natürlich nicht verlernt, aber es kostete mich mehr Kraft als sonst.
An manchen Tagen hatte ich das Gefühl gleich in Tränen auszubrechen.
Einfach weil mir plötzlich bewusst wurde, es sind keine Eltern mehr da auf dieser Welt. Wir sind auf uns alleine gestellt. Einfach weil es mir klar wurde, wie schwer das gesamte letzte Jahr für uns alle gewesen war.
Weil es sinnlos war, dass alles so enden sollte. Die Dialyse hätte meine Mutter retten sollen. Statt dessen brachte sie ihr den Tod.
In Besprechungen wollte ich mich unsichtbar machen. Ich fühlte mich verletzlicher.
Nackt. Klein.
Ich hätte mir gewünscht, dass es Menschen gegeben hätte, die gesagt hätten: Es ist okay. Wir sehen dich. Du musst nicht perfekt sein.
Nachdem ich merkte, wie labil ich mich fühlte, beschloss ich eine Weile Urlaub zu nehme und bekam diesen dann auch.
Wenn die Beziehung zur Last statt zur Stütze wird
Ich war noch nicht so lange mit meinem damaligen Partner zusammen.
Es begann heiß, leidenschaftlich, die große Liebe, die für immer währen sollte. Er war noch während der Zeit vor ihrem Tod da. Er hatte mich damals unterstützt, zumal er mich damit auch überzeugen wollte, dass er der richtige für mich sei.
Da ich wusste, wie schwer und belastend es auch für enge Freunde und insbesondere eine recht frische Partnerschaft sein konnte, sprach ich schon vorher mit ihm. Ich hatte Angst davor, dass er kein Verständnis zeigen würde, weil ich in der Vergangenheit, als mein Vater gestorben war genau das erlebt hatte.
Ich erklärte ihm, wie wichtig mir sei, dass er weiß, wie sehr ich ihn liebe.
Dass es aber sein kann, dass ich mich ab und an mal zurückziehen werde, um die Trauer zu bewältigen.
Und dass ich mir dennoch eine starke Schulter zum Anlehnen wünsche.
"Klar, mein Schatz, wir kriegen das hin."
Spoiler alert: Wir haben es nicht hingekriegt.
Schon am Tag der Beerdigung gab es initiierte unnötige Dramen.
Die Wochen darauf erzwang er meine ständige Aufmerksamkeit und respektierte es nicht mal, wenn ich ein einziges Wochenende Zeit für mich brauchte.
Er erfand Krankheiten und suchte bei jeder Gelegenheit Streit.
Was ich mir gewünscht hätte:
Einen Partner, der für mich in dieser schwierigen Situation da ist.
Ich hätte mir gewünscht, dass er mir Raum gegeben hätte, wenn ich Raum benötige und da gewesen wäre, wenn ich gesagt hätte: "Bitte, nimm mich einfach nur in den Arm."
Statt dessen Streit, Lügen, Drama, Egoismus pur. Und ich habe versucht das alles auszuhalten und zu reparieren.
Freunde und Bekannte
Kaum jemand aus dem Freundeskreis war wirklich da.
Bei den meisten kam ich mir unverstanden vor oder sogar wie eine Last.
Also schwieg ich die meiste Zeit, auch wenn ich teilen wollte, wie ich mich fühle und was mich bewegte.
Meine damals beste Freundin, die wie eine Schwester für mich war fing bereits da an sich von mir zu distanzieren. Natürlich gab es aus ihrer Sicht genug Gründe dafür, da es ihr auch nicht gut ging. Doch Fakt war, dass ich in jeder Notlage für sie da war und stundenlang wichtige und unwichtige Probleme von Ihr angehört hatte und versucht hatte sie zu stärken.
Ich hätte mir einfach gewünscht, dass manche Leute einfach angeboten hätten, dass ich mal anrufen kann. Dass ich auf einen Kaffee eingeladen bin. Dass sie mir sagen, ich bin nicht alleine.
Ich hätte mir einen ehrlichen Umgang gewünscht, auch wenn sie vielleicht mitgeteilt hätten, dass sie einfach nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen und nicht wissen, was ich vielleicht brauche. Dann hätte ich mich vielleicht etwas weniger alleine gefühlt.
In dieser Zeit war ich alleine. Mit meinem Stift und meinem Blatt Papier.. Und schrieb alles nieder, was mir auf der Seele brannte. Es half beim Verarbeiten. Aber es brachte keine Wärme ins Herz.
Kurz und knapp
Ich hätte mir eine Trauerbegleitung gewünscht und ein Umfeld, was mich ein bisschen unterstützt.
Empathie, Verständnis, eine Umarmung, vielleicht mal praktische Hilfe, in Situationen, in denen ich in Not war.
Ich hätte mir jemanden gewünscht, der mit mir über den Sinn des Lebens spricht und das Gefühl der Sinnlosigkeit mit mir beleuchten hätte können.
Der mir vielleicht hätte sagen können, dass es ein ganz normaler Prozess ist und all diese Gefühle Raum erhalten dürfen.
Kurzum fing ich meine Ausbildung als Trauerbegleiterin an. Nachdem ich meine Trauer bewältigt hatte. Ich wollte nicht, dass es anderen so geht wie mir.
Du bist nicht allein!

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